Pflegewissenschaften

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Der gerade veröffentlichte Arzneimittel-Report der Gmünder ErsatzKasse zeigt:

Jeder 3. GEK Versicherte mit der Diagnose Demenz bekam 2008 stark wirksame Beruhigungsmittel, sogenannte Neuroleptika, verordnet.

Dies Ergebnis steht dem Wissen gegenüber, dass die regelmäßige Neuroleptikagabe das Sterblichkeitsrisiko erhöht. Der Einsatz dieser starken Beruhigungsmittel hat immer wieder Herzkreislaufprobleme, Infektionen und Schlaganfälle zur Folge.

Professor Gerd Glaeske, Leiter der GEK-Studie, fordert eine drastische Senkung der Neuroleptika-Verordnung. „Neuroleptika sind stark dämpfend, Neuroleptika sind beruhigend. Sie lassen sich offensichtlich im Pflegealltag dazu nutzen, einen Mangel der Pflege auszugleichen, indem man Menschen ruhig stellt.“, so Glaeske. „Chemische Gewalt gegen Ältere“ nennt er dieses Vorgehen und fordert, dass damit Schluss sein muss.

Eine bereits im Januar veröffentliche Studie vom Kings College London bestätigt ein hohes Sterblichkeitsrisiko bei Demenzerkrankten unter langfristiger Neuroleptikagabe. An der Studie nahmen 165 Alzheimer-Patienten teil, die bereits regelmäßig Neuroleptika verordnet bekamen.

Für die Studie wurde bei 83 Patienten die Therapie unverändert fortgesetzt. Bei den verbliebenen 82 wurde die bisherige Therapie abgesetzt und durch orale Placebos ersetzt. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zeigten sich mit zunehmender Dauer der Studie immer deutlicher. Nach 24 Monaten waren noch 46% der Patienten mit Psychopharmaka am Leben und 71% der Patienten mit Placebo. Nach 36 Monaten zeigte sich ein Verhältnis von 30% zu 59%.

Neuroleptika werden zur Therapie von Symptomen, wie Unruhe, Wahnvorstellungen und aggressivem Verhalten eingesetzt. Das National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) befürwortet den Einsatz dieser Medikamente lediglich über einen kurzen Zeitraum und unter sorgfältiger Beobachtung. Klinische Erfahrung ist jedoch eine durchschnittliche Verordnungsdauer von 1 -2 Jahren. Eine frühere Studie des Alzheimer`s Research Trust zeigte, dass ein kurzer Therapie-Zeitraum (6- 12 Wochen) durchaus eine Verbesserung der Verhaltens-Symptomatiken zeigte. Die Therapie über einen längeren Zeitraum zeigte keinen belegbaren Nutzen. Die Ergebnisse der Untersuchung seien ein Weckruf, so erklärte Rebecca Wood, Geschäftführerin des Alzheimer`s Research Trust, und unterstreiche die Gefahr der Langzeitverordnung von Neuroleptika. Die Studie beleuchte auch die Notwendigkeit der Entwicklung besserer Therapiemöglichkeiten, als den Alzheimer Patienten bisher zur Verfügung stünden.

Diese Problematiken vor Augen, gibt es bereits viele Pflegeeinrichtungen, die bewusst auf den Einsatz von Beruhigungsmitteln verzichten und versuchen, gezielt auf die Bedürfnisse und Verhaltensauffälligkeiten ihrer dementierenden Bewohner einzugehen.

Nach ihrer Erfahrung zeigen sich diese Verhaltensauffälligkeiten oft, wenn die Bewohner ihren Bedürfnissen, deren Mitteilung den Betreffenden oft schwer fällt, nicht nachkommen können. Es bedarf natürlich einer besonderen Beobachtung und manchmal auch einer längeren Zeit, um den Betreffenden so gut kennen zu lernen, dass diese Bedürfnisse erfasst werden können. So bekommt zum Beispiel ein Bewohner, mit ausgeprägtem Bewegungsdrang ein Trimmrad in einen separaten Raum gestellt, das er jeden Tag nach eigenem Zeitplan nutzt.

Aufgaben wie Hilfe im Haushalt, die Versorgung des hauseigenen Gartens oder der Tiere sowie Besuche der Vierbeiner in den Zimmern und den Wohnbereichen, helfen die Ausgeglichenheit zu fördern. Sicherlich ist man sich auch hier darüber im Klaren, dass immer noch viel getan werden muss, um positiv auf die Ausgeglichenheit und das Wohlbefinden des Demenzerkrankten einzuwirken, seine Bedürfnisse zu erfassen und die Angst und Unruhe zu nehmen. Oft resultieren die Probleme aus der zunehmend gestörten Wahrnehmung und dem Unverständnis für eine Umwelt, die immer fremder wird. Der Wahrnehmung immer neue Impulse zu geben und die Umwelt immer wieder zu erinnern sind nie enden wollende Aufgaben, die sich in allen Alltäglichkeiten wiederfinden. Beruhigungsmittel sind hier die letzte Option und werden nur kurzfristig zur Behandlung starker Verhaltensauffälligkeiten eingesetzt.

Quelle: GEK , Kings College London

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